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73 Ausschaffungshaft; Haftbedingungen; Vollzug der Ausschaffungshaft in einer Justizvollzugsanstalt. Aufgrund der Gewalttätigkeit des Betroffenen ist der Vollzug der Aus- schaffungshaft im Sicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Lenzburg nicht zu beanstanden. Beim Vollzug der Haft in der Justizvollzugsanstalt ist dem Zweck der Administrativhaft gebührend Rechnung zu tragen (E. II./4.4.).
Sobald der Vollzug der Haft in einem Ausschaffungszentrum vertretbar ist, ist der Betroffene zu verlegen (E. II./4.5.).
Entscheid des Präsidenten des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom 9. Dezember 2010 in Sachen Migrationsamt des Kantons Aargau gegen C.B.I. betreffend Haftüberprüfung (1-HA.2010.140).
Bestätigt durch den Entscheid des Bundesgerichts vom 1. Februar 2011 (2C_37/2011).
Aus den Erwägungen
II. 4.1. [...] Das Migrationsamt ordnete an, dass der Gesuchs-
gegner nicht wie allgemein üblich im Ausschaffungszentrum Aarau
oder im Ausschaffungsgefängnis "Bässlergut" in Basel, sondern in
der Justizvollzugsanstalt Lenzburg in Ausschaffungshaft genommen
werde, sofern eine Gefährdung von Mithäftlingen des Anstalts-
personals durch das Verhalten des Gesuchsgegners nicht ausge-
schlossen werden könne.
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4.4. Aufgrund der gezeigten Gewalttätigkeit des Gesuchsgeg-
ners gegenüber einem Mitarbeiter des Migrationsamtes und gegen-
über Vollzugsangestellten der Justizvollzugsanstalt Lenzburg ist er-
stellt, dass der Gesuchsgegner derzeit mit Blick auf den Vollzug der
angeordneten Ausschaffungshaft ein erhebliches Risiko für die Voll-
zugsangestellten und wohl auch für Mitgefangene darstellt. Dies be-
stätigt auch die für den Gesuchsgegner zuständige Ärztin der
Psychiatrischen Klinik Königsfelden. Ein Vollzug mit offenem Haft-
regime im Ausschaffungszentrum Aarau im Ausschaffungsge-
fängnis "Bässlergut" in Basel ist jedenfalls im Moment - undenkbar.
Infrage kommen als geeignete Räumlichkeiten im Sinne von Art. 81
Abs. 2 [des Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Ausländer
(AuG) vom 16. Dezember 2005] einzig eine isolierte Inhaftierung
mit speziell geschultem Personal. Insofern ist in Anwendung von
§ 21 Abs. 1 [des Einführungsgesetzes zum Ausländerrecht (EGAR)
vom 25. November 2008] nicht zu beanstanden, wenn das Migra-
tionsamt die Ausschaffungshaft im Sicherheitstrakt der Justizvoll-
zugsanstalt Lenzburg vollziehen will. Immerhin stehen den Inhaftier-
ten dort grundsätzlich zwei Zellen zur Verfügung. Damit kann den
Inhaftierten eine gewisse Tagesstruktur gegeben werden, da eine
Zelle als Wohnund Schlafzelle und eine Zelle als Arbeitsraum dient.
Allerdings ist auch beim Vollzug der Haft in der Justizvollzugsanstalt
Lenzburg dem Zweck der Administrativhaft, bei der es einzig darum
geht, die Ausschaffung des Gesuchsgegners sicherzustellen, gebüh-
rend Rechnung zu tragen. Insbesondere sind die mit § 20 EGAR
garantierten Rechte grundsätzlich zu gewähren. Der soziale Kontakt
mit anderen Inhaftierten (§ 20 Abs. 1 lit. g EGAR) ist aufgrund des
vom Gesuchsgegner ausgehenden Gefahrenpotentials zur Zeit nicht
möglich. Diese Einschränkung ist sofern der Gesuchsgegner ent-
sprechendes Interesse bekundet mittels angemessen intensivierter
Betreuung durch das Vollzugspersonal, durch Seelsorger andere
geeignete Personen zu kompensieren.
Zu beachten ist zudem Folgendes: § 23 EGAR regelt das Dis-
ziplinarwesen gegenüber Inhaftierten. Dieses gilt grundsätzlich auch
bei einer Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg. Aus
§ 23 Abs. 1 lit. c EGAR geht hervor, dass die Inhaftierten grundsätz-
lich das Recht auf Radiound TV-Konsum haben und eine Verweige-
rung, Beschränkung gar ein Entzug eine Disziplinarmassnahme
darstellt. Solange Betroffene den Empfangsgeräten Sorge tragen, ist
Radiound TV-Konsum deshalb grundsätzlich zu ermöglichen.
Nachdem der Gesuchsgegner jedoch bei früheren Inhaftierungen er-
hebliche Sachschäden verursachte, ist die Abgabe von Radiound
TV-Geräten in Abweichung von § 23 Abs. 1 lit. c EGAR in das Er-
messen der Vollzugsanstalt zu stellen.
4.5. Es wird davon Vormerk genommen, dass der Gesuchsgeg-
ner zwecks weiterer medizinischer Abklärungen vorläufig in der
Psychiatrischen Klinik Königsfelden im Psychiatriezentrum
Rheinau verbleibt und erst in die Justizvollzugsanstalt Lenzburg
verlegt wird, wenn dies medizinisch vertretbar ist. Sollten die ge-
planten medizinischen Abklärungen längere Zeit in Anspruch neh-
men und daraus eine länger dauernde Festhaltung in einer medizini-
schen Anstalt resultieren, wäre dies durch den Gesuchsteller zu be-
gründen.
Sollte sich das vom Gesuchsgegner ausgehende Gefahrenpoten-
tial derart reduzieren, dass ein Vollzug in einem Ausschaffungszent-
rum verantwortbar wäre, wäre der Gesuchsgegner entsprechend zu
verlegen.